Anezka in Frankreich - Reisetagebuch Teil 1

Verfasst von Anezka Petraskova am .

Hallo, mein Name ist Anezka, ich bin 16 Jahre alt und mache zurzeit ein Auslandsjahr in Frankreich. Ich möchte euch hier über meine Zeit als Austauschschülerin berichten und hoffe, dass ich euch so gut wie es geht über die positiven und negativen Seiten eines Auslandsjahres aufklären kann, und vielleicht sogar den einen oder anderen dazu motivieren kann, auch ein Auslandsjahr zu machen.

 


Heute ist es einen Monat her, dass ich hier angekommen bin und in den vier kurzen Wochen ist schon so viel passiert, dass ich wirklich versuchen muss, mich knappzuhalten. Da man sich wegen der Corona-Situation nicht unbedingt an Flughäfen aufhalten sollte, haben sich meine Eltern dazu entschlossen, mich nach Frankreich zu fahren, sodass wir noch die letzten Tage intensiv zusammen verbracht haben. Wir blieben für ca. 3 Tage in Leucate bevor wir dann am 29. September bei meiner Gastfamilie ankamen. Sie wohnt in einer kleinen Stadt (vergleichbar mit Naila) neben Perpignan, einer etwas größeren Stadt, wo ich
auch zur Schule gehe. Man braucht mit dem Auto nur 5 Minuten zum Meer, eine Stunde zum nächsten Skigebiet und zwei Stunden nach Barcelona. Mit der Lage habe ich also wirklich Glück, wobei man auch erwähnen muss, dass ich bei meiner Organisation das Südfrankreichprogramm gewählt habe. Und auch wenn es somit etwas mehr gekostet hat, bin ich sehr froh über diese Entscheidung, weil man hier viel unternehmen kann und ich die Gegend einfach liebe. Zehn Monate Urlaubs-vibes, wer will das nicht?


Das erste Treffen mit meiner Gastfamilie war auch total entspannt und die ganzen Sorgen, die ich mir gemacht habe, waren völlig grundlos. Auch meine Eltern durften meine Gastfamilie persönlich kennenlernen, was normalerweise gar nicht üblich ist, aber ich bin sehr froh, dass es so gekommen ist, weil ich weiß, dass es auch meinen Eltern viele Sorgen genommen hat. Wir haben uns alle unglaublich gut verstanden und hatten einen wirklich tollen Nachmittag zusammen.

Dann kam auch schon der Abschied von meinen Eltern, der definitiv emotionaler war, als ich es erwartet hatte, aber nicht viel später ging es mir auch wieder gut und ich war einfach glücklich, dass ich zu so tollen Menschen gekommen bin. Ich habe übrigens eine kleine Gastschwester, die 11 Jahre alt ist und einen älteren Gastbruder, der 19 Jahre alt ist aber mittlerweile in Montpellier wohnt und studiert. Ich verstehe mich total gut mit den beiden und wir haben auch schon definitiv ein geschwisterliches Verhältnis zueinander aufgebaut. Am Anfang blieben noch fünf Tage bis es mit der Schule losgehen würde und die Zeit nutzten wir, um uns besser kennenzulernen und um mich mit der Umgebung bekannt zu machen. Viele fragen mich auch immer, wie es mit dem Verständigen ablief, denn ich konnte anfangs wirklich nur die Basis der französischen Sprache und hatte mir auch Sorgen gemacht, mich nicht verständigen zu können. Aber das war überhaupt nicht schlimm oder komisch. Die Gastfamilien machen das meistens auch nicht zum ersten Mal bzw. sind sich dessen logischerweise bewusst und auch darauf vorbereitet. Man ist ja da, um die Sprache zu lernen, also braucht man sich in dem Punkt gar keinen Stress machen.
Und jetzt nach dem ersten Monat habe ich schon das Gefühl, dass das, was ich in der Schule gelernt habe, wieder sitzt und ich schon schneller verstehen und sprechen kann. Anfangs war das natürlich trotzdem nicht leicht. Vor allem der erste Schultag war sehr frustrierend. Die Schule und das ganze Schulsystem sind sehr anders als bei uns und daran muss man sich erst mal gewöhnen.


Da die öffentlichen Schulen wegen Corona keine Austauschschüler aufnehmen, bin ich auf eine Privatschule gekommen. Es gibt hier sehr viele Privatschulen, da das Niveau in öffentlichen Schulen angeblich sehr schlecht sein soll und somit viele Kinder schon ab dem Kindergarten bis zum Abschluss auf private Schulen gehen. Wir können uns also mit dem deutschen Schulsystem eigentlich ganz glücklich schätzen, weil wir bei uns ein sogar noch besseres Bildungsniveau als hier auf dieser Privatschule haben und nicht dafür zahlen müssen. Das lycée, auf das ich hier gehe, ist sehr groß. Es gibt drei Jahrgänge (10./11./12. Klasse) und allein schon mein Jahrgang hat 10 Klassen mit jeweils 30 Schülern. Zum Glück hat mich mein älterer Gastbruder am ersten Tag zur Schule begleitet. Er ist selbst auf die Schule gegangen und kannte sich somit gut aus. Er zeigte mir den Schulweg, die Schule und meine Klasse. Die Schule ist sehr alt und hat ein wunderschönes Hauptgebäude und dann noch zwei Nebengebäude, die zwar neuer sind aber nicht ansatzweise ein so
modernes Equipment haben, wie wir es in Deutschland tun.

Am ersten Schultag hatte ich nur 2 Stunden, und da die ganzen Klassen neu zusammengemischt wurden, kannte sich niemand so wirklich, sodass auch niemand wusste, dass ich Austauschschülerin bin, nicht mal die Lehrer. Ich war also ziemlich verloren aber zum Glück sind zwei Mädchen auf mich zugekommen und haben mir den Rest des Tages geholfen meine organisatorischen Sachen zu klären. Mittlerweile wissen alle meine Lehrer
und Mitschüler, dass ich nur zehn Monate bleibe und sind wirklich sehr nett und hilfsbereit. Ich verbringe viel Zeit in der Schule. Außer mittwochs und freitags habe ich bis 17 oder 18 Uhr Schule. Das liegt daran, dass die Unterrichtseinheiten hier nicht 45 Minuten, sondern 60 Minuten dauern und man meistens auch zwei Stunden Mittagspause hat. Es zieht sich hier einfach alles bisschen länger als in Deutschland und das war anfangs auch erst mal eine Gewöhnungssache aber ich komme mittlerweile gut damit klar und verbringe auch gerne Zeit in der Schule. In der Oberstufe wählt man hier sogenannte „Spezialitäten“, was im Endeffekt die Fächer sind, in denen man auch sein Abitur bzw. sein „baccalauréat“ machen möchte.

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Ich habe zum Beispiel Bio, Chemie und Mathe als Spezialität gewählt und werde dieses Jahr schon in einer dieser Spezialitäten und in Französisch und Geschichte das Baccalauréat machen. Hier ist es nämlich so, dass die Abiturprüfungen auf zwei Jahre aufgeteilt sind. Für mich ist es aber unwichtig, da ich das Abitur nicht hier, sondern in Deutschland machen werde. Meine Mitschüler nehmen die Schule sehr ernst und arbeiten und lernen viel, trotzdem ist der Unterricht oft amüsant und ich habe schon Leute gefunden, mit denen ich mich gut verstehe und mit denen ich auch nach der Schule schon mal was unternommen habe. Ich verbringe meine Wochenenden aber vor allem mit meiner Gastfamilie. Sie sind sehr aktiv und somit gehen wir sehr oft an den Strand, machen Ausflüge in Städte, gehen schwimmen, paddeln, joggen usw. Vor allem versuchen sie mir aber auch die französische Kultur nahezubringen, sodass wir viel französische Musik hören, französische Filme schauen und natürlich auch viele französische bzw. mediterrane Speisen essen. Die Gerichte schmecken mir hier wirklich sehr gut. Wir essen viel Fisch, Meeresfrüchte aber auch klassische französische Gerichte wie zum Beispiel „Cassoulet“ oder „Crêpes“. Ich bin auch sehr offen für Neues und probiere hier viel aus, aber als es dann mal Schnecken mit Tomatensoße bei einem Grillabend gab, habe ich mich dann
trotzdem nicht getraut und „non merci“ gesagt. Ein wenig bereue ich es schon, weil es mich interessieren würde, wie es schmeckt aber ich habe noch gute neun Monate Zeit, um mein Glück ein erneutes Mal zu versuchen. Wie gesagt geht die Zeit hier schnell rum und ich kann es kaum glauben, dass ein Monat
schon um ist. Ich bin sehr gespannt, was in der nächsten Zeit noch auf mich zukommen wird und ich werde versuchen jeden Monat einen kleinen Bericht für dieses Reisetagebuch zu schreiben.


Ich hoffe, dass es euch interessiert und ihr auch weiterhin dabei bleibt :)
Bei Fragen könnt ihr mir auch gerne eine Mail schreiben ()

 

 

 

 

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